Marteria – Zum Glück In Die Zukunft (Review)

Marteria – ein Name, der derzeit in den Medien enorm gepusht wird. Bei MTV jeden Tag im Rahmen der „All Eyes On…“-Reihe zu sehen, der Hit „Verstrahlt (mit Yasha) läuft in den Zimmern ganz Deutschlands hoch und runter und auch die etwas offeneren Radiosender scheinen die Single desöfteren zu spielen. Das Soloalbum „Zum Glück In Die Zukunft“ erschien nun vergangenen Freitag endlich. Und wenn ich „endlich“ sage, meine ich „endlich“. Denn die Platte ist seit sage und schreibe anderthalb Jahren bei Amazon vorbestellbar. Anderthalb Jahre.
Marteria selbst hält es nämlich eher à la „Gut Ding will Weile haben“. So entstand ein Teil der Platte beispielsweise in Dänemark oder in Miss Platnums Heimat Rumänien in enger Zusammenarbeit mit Peter Fox‘ Hitproduzentenduo „The Krauts“. Berlin ist „einfach zu hektisch“, da liegt es nahe, dem Alltag in fremde Gefilde zu entfliehen.

Der Opener des Albums „Endboss“ macht sofort klar: hier handelt es sich um keinen gewöhnlichen Musiker, der einfach die Klischees eines Rappers erfüllt. Man darf nicht vergessen: Marten Laciny aka Marteria kommt immer noch aus dem Gebiet des deutschen Raps. Der Aspekt ist mir persönlich wichtig, da deutschem Rap in der Öffentlichkeit oft ein schlechtes Bild aufgezwungen wird. So ist der Track eine Autobiographie in Videospiel-Manier, der den Hörern Einblicke in den bisherigen Werdegang des Rostockers blicken lässt.

„Ich spring von Level zu Level zu Level bis der Endboss kommt!“

Bei Hansa Rostock und in der u17-Nationalmannschaft unter Horst Hrubesch Fußballspieler, danach der Amerika Trip im Rahmen seines Modelengagements für Hugo Boss oder Diesel und letztendlich zurück in Deutschland, um sein Rapding durchzuziehen.

Die Tage wurde mir öfter die Frage gestellt, was denn „verstrahlt“ überhaupt bedeutet. Aber wie soll ich ein Rätsel entschlüsseln, das Marteria nicht einmal selbst lösen kann. Der Interpretationsfreiraum ist groß und führt von „betrunken“ über „high“ bis zu „verliebt“. Aber sind wir doch mal ehrlich? Egal, was es bedeutet – da hat man eine massentaugliche Single erschaffen, deren Chorus sich auch gerade auf Grund Yashas Gesang tief in den Gehörgängen verankert.

Dass es der Rostocker mit Wortspielen hat, hat man schon 2005 auf dem Album „Halloziehnation“ seines AKAs Marsimoto gesehen. So reiht sich „Amys Weinhaus“ perfekt in die Reihe seiner Tracks, mit Wortspielen versehener Titel, ein. Aber was auf dem Track geboten wird, ist viel mehr als ein Wortspiel im Titel. Es wird sich mit gescheiterten Charakteren auseinandergesetzt, sei es der Vater, der nicht mit der homosexuellen Orientierung seines Sohnes klar kommt oder der Junge, der mit Exklusion zu kämpfen hat. Kein Problem, denn in Amys Weinhaus darf man alles sein und du darfst sogar weinen bei Amy.

Was auf „Du willst streiten“ beschrieben wird, kennt man vielleicht aus der ein oder anderen Beziehung selbst. Der weibliche Part nervt jeden Tag, und es kommt einem oft so vor, als wär er grundlos auf Streit aus. Jeden Tag dasselbe.

„Du bist voll auf Salat gegen den Speck auf dein‘ Rippen/ doch klaust Reste von mei’m Teller und die Hälfte von mein‘ Fritten“

Und plötzlich geht’s einem super: die Bassline auf „Wie mach ich dir das klar?“, welches Jan Delay featured, brettert aus der Anlage! Auf einem basslastigen Beat werden Wege gesucht, bestimmte Hiobsbotschaften zu überbringen. Ob es sich jetzt um den überfahrenen Hund dreht oder, dass der Gegenüber eigentlich adoptiert ist.

Was auch total auffällt, ist das großartige „Kate Moskau“. Jaja, Wortspiele im Titel hatten wir ja schon, aber da passt einfach alles.

„Love is in the air, lass es rollen – Rrrrr Rrrrr!“

Der Beat rollt wie 189 Dampfwalzen – ähnlich dem Akzent von Kate Moskau. Eine reiche Russin, die es sich ordentlich gut gehen lässt, bis die Firma des Vaters in chinesische Hände gelangt. Schade.

Das Casper-Feature „Alles verboten“ zählt dann nochmal Sachen auf, die eigentlich jedermann für uncool und verboten erklärt, man sich aber dennoch oft dabei selbst erwischt, genau jene Dinge auszuüben. „Alles verboten, trotzdem machen“ heißt es in der Hook und Caspers Part weiß reimtechnisch sehr zu gefallen!

„Batterien stehlen aus Alarmanlagen/ Festivalbändchen von vor Jahren an den Armen tragen“

Das Ende der Platte setzt sich aus dem ruhigen, narkotischwirkenden „Veronal (mit Miss Platnum), „Seit dem Tag als Michael Jackson starb“ und dem eingängigen „Sekundenschlaf (mit P. Fox) zusammen. Seit dem Tag als Michael Jackson starb dreht sich die Welt zwar weiter, aber die Erde ist nicht mehr zu retten. Jeden Tag dasselbe – „Geld, Sex, Lügen. Und wenn’s dir schwer fällt die Welt zu lieben, geh einfach vor den Spiegel Moonwalk üben“ und mach’s wie Marteria in der Entstehungsphase des Albums – flieh in fremde Gefilde und lass die Erde hinter dir.

Ein rundum in sich stimmiges und rundes Werk, was der Wahlberliner Marten Laciny da abgeliefert hat. Die 2 Jahre haben Früchte getragen! Das merkt man von den Beats bis hin zu den Texten.  Zehn Euro beim Müller für die 2CD-Version mit allen Instrumentals und 3 Bonustracks sprechen ohnehin für sich. Wohl bekomm’s, zum Glück in die Zukunft!

diggedidope (jb)